Eine Geschichte: Die kleine Rita erzählt mir einen guten Witz: „Was ist schlimmer als 1 Fell?“ – „2 Fell.“ Wir brauchen ein bisschen, den Witz zu enttüfteln, aber es gelingt: Zwei-fel. Wirklich, was ist überhaupt schlimmer als Zweifel?
Das führt so locker in ein Kopfnicken und dabei bin ich in Wirklichkeit eine Verfechterin des Zweifels. Er ist eine gute Form der Bestandsaufnahme: Passt wirklich noch alles, so wie es ist? Will ich das so? Geht es in die richtige Richtung? Bin ich hier richtig? Der Zweifel ist meine Pause-Taste.
Und wenn der Zweifel überstanden ist, ist alles besser als zuvor: Man ist sich seiner Sache sicherer, sie hat den Überprüfungen standgehalten, die Richtung stimmt, alles wieder volle Kraft voraus. Vorausgesetzt, sich mit dem Zweifel auseinandergesetzt, natürlich.
Was aber auch noch passiert – und das ist der unerwünschte Teil daran: Auch andere werden auf Pause geschubst, auch sie spüren den Zweifel. Sie müssen sich mit einer Unsicherheit beschäftigen, die nicht ihre ist. Das nimmt an Schwung und Geschwindigkeit, an Momentum. Der Zweifel bremst ein. Und das ist in etwa so angenehm wie in ein Karussell zu grätschen.
Ich aber bin dem Zweifel heute Abend dankbar: Er zwingt mich, meinen armen tollen Buchclub-Kolleg:innen Fragen zu stellen, die sie mir mit viel Geduld und vorsichtigen Worten beantworten, noch bevor wir über die Bücher sprechen können. Er bringt Einsichten, die über die trübe Windschutzscheibe fegen und den Blick durchs Glas klären. Dieser Zweifel entschleunigt durch seine brutale Handbremse das Gespräch des Abends. Selten hat sich verlorener Mut an einem Abend so sanft und stark wiederaufgebaut wie heute.
Als Gastgeberin des Buchclubs tanze ich regelmäßig auf Spinnfäden zwischen Sicht- und Unsichtbarkeit, Steuerung und Freiheit, Vorgaben und Offenheit. Jedes Mal, wenn ich mich zurücknehme, verlangt es irgendwo nach einer Stimme, wenn ich diese erhebe, drängt das Gefühl, dass Andere Raum brauchen. Es ist ein Tauziehen.
Ich nehme den Zweifel zwischen zwei Buchseiten mit nach Hause in dem Bewusstsein, dass er Rollen und Vorannahmen hinterfragt und deshalb seine Textzeilen bekommen darf. Und dass man Bärenfell braucht, um Zweifel, Widersprüche und Komplexität auszuhalten. Die Vs sind dahingehend eine ganze Bärenfamilie.
Danke, Vs. Ab hier wieder Play.