Wir treffen uns am Montag, den 2. Mai 2022 ab 19 Uhr im Café Zartl.
Wow! Zu diesem Buch gibt es eine Fragenliste, ein Kreuzworträtsel, einen Einblick in die Themen und eine Literaturliste!
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Aaron BENANAV
Automatisierung und die Zukunft der Arbeit
2021, 195 Seiten, edition suhrkamp 2770, 1. Aufl, € 16,50
VLB(?), VERLAG SUHRKAMP
Original: Automation and the Future of Work, Verso, 2020.
160 Seiten.
VERSO BOOKS, NEW LEFT REVIEW
Fragen, die wir uns vor der Lektüre gestellt haben:
- Wie sieht sie denn jetzt aus, diese Zukunft, in der wir, umgeben von Robotern und Automatisierungsmaschinen untätig in unseren Lehnsesseln hängen?
- Gibt es dann wirklich nichts mehr zu tun? Wollen wir das überhaupt?
- Was braucht es, damit von einer Automatisierung, so sie denn passiert, möglichst viele durch verbesserte Lebensbedingungen profitieren?
Klappentext:
Zukunftsforscher, Technikutopistinnen und marxistische Gesellschaftskritiker malen in seltener Übereinstimmung ein düsteres Szenario an die Wand: Über kurz oder lang übernehmen Roboter, selbstfahrende Autos und Algorithmen unsere Jobs. Digitalisierung und Automatisierung machen Millionen von Arbeitnehmern überflüssig. Aber ist wirklich der technologische Wandel der entscheidende Faktor hinter diesem tiefgreifenden Strukturwandel der Arbeitswelt? Aaron Benanav widerspricht dem »Automatisierungsdiskurs« und zeigt, dass die eigentlichen Ursachen in einer Verlangsamung der Produktivitätssteigerung und des Wachstums zu suchen sind. Eine Zukunft, in der Mensch und Maschine nicht miteinander konkurrieren, ist möglich, dafür bedarf es jedoch einer demokratischen Organisation der Wirtschaft.
Kreuzworträtsel
Aus zentralen Begriffen aus dem Buch haben wir ein Kreuzworträtsel erstellt. Fülle das Rätsel aus, es ist eine gute Prüfung für dich, ob du die Konzepte aus dem Buch mitgenommen hast!
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Nachlese & Blick ins Buch
Leben wir in den letzten Tagen menschlicher Plackerei?
Seite 17
Eine „Welt jenseits des Mangels“ – auf diese Utopie steuert Aaron BENANAV zu, wenn er den Automatisierungsdiskurs wie einen LEGO-Transformer auseinander baut. Automatisierungsdiskurs – das bedeutet eine wieder aufgerollte Vorstellung davon, dass uns durch Robotisierung vieler Lebensbereiche und Automatisierung von Arbeit bald alle Arbeit ausgehen wird. Bei Automatisierung sprechen wir nicht von einer Verbesserung der Effizienz oder Produktivitätssteigerung. Nein, Automatisierung bedeutet, dass Maschinen menschliche Arbeit „vollständig ersetzen“.
BENANAV stellt fest, in den Gedanken der Automatisierungstheoretiker sei der gezogene Schluss zwar falsch, aber das Problem sei richtig. Er zerpflückt ihre Thesen und möchte beweisen, dass es nicht an technischem Fortschritt und Automatisierung allein liegt, sondern u. a. schlicht an Überkapazitäten, Unterinvestitionen und einer Stagnation der Weltwirtschaft, dass wir ein Beschäftigungsproblem haben.
Mit dem Wachstum der Wirtschaft verlangsamt sich auch das der Beschäftigung, und ebendies – nicht der technologische Wandel – hat die Nachfrage nach Arbeit weltweit gedämpft.
Seite 9
Gelingt ihm der Beweis? Man könnte sagen, ja, allerdings. Ist es ein bereicherndes, empfehlenswertes Leseerlebnis? Wenn man auf dichte 150 Seiten (100 im englischen Original) im wissenschaftlichen Essay-Stil gefasst ist, dann kommt ein glattes 100-%-Ja vonseiten der Buchclubbers.
Entgegen dem Automatisierungsdiskurs
Der Automatisierungsdiskurs stützt sich auf 4 Thesen, er besagt, (1) dass technologische Arbeitslosigkeit durch immer höher entwickelte Maschinen entsteht, (2) dass wir an der Schwelle zu einer weitgehend automatisierten Gesellschaft stehen und (3) dass viele Menschen aber weiterhin auf Arbeit angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt zu generieren, wodurch für sie die Automatisierung eher ein Horror-Szenario darstellt. Schließlich scheinen (4) sich die Folgen der Massenarbeitslosigkeit nur durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) abwenden zu lassen.
BENANAV legt sich ins Zeug und zeichnet versiert mit Daten zu den drei Werten Output, Produktivität und Beschäftigung eine andere Deutung der weltweiten Beschäftigungssituation.
Er entwirft 4 Gegenthesen zum Automatisierungsdiskurs, die besagen, dass (1) die fehlende Nachfrage nach Arbeit kontinuierlichem technologischen Wandel und Stagnation der Wirtschaft zuzuschreiben sind. Wir werden in ein Beschäftigungsproblem laufen, aber das wird sich anders darstellen als geahnt: (2) Nicht Massenarbeitslosigkeit wird uns ereilen, sondern Unterbeschäftigung – die noch dazu schwieriger zu messen ist. Das ist ein Problem, denn heute sind viel mehr Menschen auf ihre Jobs als Überlebensgrundlage angewiesen als früher. Wer kann sich schon selbst ohne Job ernähren?
Schließlich stehen zwar (3) die „Eliten“ technokratischen Lösungen wie dem BGE nicht offen gegenüber, aber (4) das Ziel einer „Welt jenseits des Mangels“ wird auch ohne komplette Automatisierung zu erreichen sein.
Dabei ist zu bedenken, dass sich zwar Jobs immer schon geändert haben: 57 % der Berufe, in denen wir in den 1960er Jahren gearbeitet haben, gibt es heute nicht mehr. Dennoch sind nicht alle neuen Jobs von gleicher Beschaffenheit: Prekäre Beschäftigungen und atypische Beschäftigungsverhältnisse machen heute über 60 % in neu geschaffenen Jobs aus. Dazu zählen in weitestem Sinne auch informell Beschäftigte, also jene, die kaum Rechte in Bezug auf ihre Beschäftigungen besitzen: Straßenhändler, Kleinstproduzenten. Die International Labour Organization spricht heute von 26 % fixen und 74 % befristeten oder informell tätigen Jobs weltweit.
Weltweite Deindustrialisierung
Zentral in der Betrachtung ist die Deindustrialisierung, die seit den 1960/1970er Jahren weltweit vonstattengeht. Deindustrialisierung meint dabei den Rückgang des Anteils der Industriefertigung an der Gesamtbeschäftigung. Die Beschäftigungsquote der Industrie sank zuerst in den einkommensstärkeren Ländern, ging aber seit 1970 in allen Ländern kontinuierlich zurück. Die Verlagerung vieler Produktionen ins Ausland ist dabei zwar in der Beschäftigungsquote ersichtlich, nicht aber in der Wertschöpfung. In anderen Worten: Es werden weiterhin auch im Inland immer mehr Güter hergestellt, dabei aber von immer weniger Arbeiter:innen. Die Produktivität selbst hat sich dabei aber nicht um ein Vielfaches verbessert, wie oft behauptet wird. Die Produktivität (als Verhältnis von Output zu Beschäftigung) wächst nur noch langsam. Die Industrieproduktion ist weiterhin steigend, ihre Wachstumsrate ist aber gesunken. Diese Stagnation der Wirtschaft führte zu weltweiter Deindustrialisierung und damit zu immer weniger Beschäftigten in der Industrie. Ein direkter Zusammenhang besteht hier auch mit einer Ausdehnung des Dienstleistungssektors.
Immer mehr wird mit weniger Arbeiterinnen hergestellt, wie die Automatisierungstheoretiker behaupten – aber nicht weil technologische Veränderungen die Produktivität hätten steil ansteigen lassen, sondern weil der Maßstab, an dem das Produktivitätswachstum gemessen wird, kleiner geworden ist.
Seite 46
Der Ursprung der Deindustrialisierung steckt schließlich in den Überkapazitäten der Weltmärkte für Industriegüter seit dem Zweiten Weltkrieg. Ausgehend von einer florierenden Wirtschaft in den USA begannen auch Europa und Japan mit Technologisierungen nachzuziehen. Abwertungen von Währungen unterstützen die Wettbewerbsfähigkeit (1949 gegen den Dollar, in den 1970ern der Dollar selbst) – verschlechterten allerdings die Kaufkraft der Arbeiter:innen in den Ländern. Die Konkurrenz wuchs und der Preisverfall verbreitete den Mechanismus rund um den Globus. Als Wendepunkte bezeichnet BENANAV dabei, als in den 1960er/70er Jahren japanische und deutsche Produkte in den US-Binnenmarkt drangen, was wiederum Unternehmen in den USA zwang, neue Zulieferketten aufzubauen und Produktionen in Niedriglohngebiete im Ausland auszulagern. Zack, Globalisierung.
Weil im Dienstleistungssektor die Löhne einen noch größeren Anteil an den Produktionskosten haben als in der Industrie, werden hier noch stärker die Preise gedrückt. Insgesamt gibt es eine Verschiebung von Löhnen hin zu Kapitaleinkünften: Nicht wer arbeitet, sondern wer besitzt, verdient. Insgesamt ist der Anteil der wirklich finanziell Armen weltweit gesunken, nichtsdestotrotz profitieren von einem gesamten Einkommenszuwachs heute immer weniger.
Ein Prüfen der Lösungen
In den Schlusskapiteln, die im Vergleich genüsslich zu lesen sind, prüft BENANAV mögliche Lösungen für die Zukunft. In seinen Ausführungen zum Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) und dem Keynesianismus gelingt es BENANAV gut, linke und rechte Thesen zu kontrastieren. Das BGE ist ihm dabei ein viel zu niedrig gestecktes Ziel. An Größerem sollten wir uns orientieren! Als Backup-Strategie können wir uns immer noch über das BGE freuen.
Um einen Weg in diese Zukunft zu finden, müssen wir nicht nur Arbeit und Einkommen entkoppeln, wie die Automatisierungstheoretiker erkannt haben, sondern auch Profit und Einkommen voneinander trennen, was viele übersehen.
Seite 34
BENANAV ist sich schließlich sicher, dass wir uns auf soziale Kämpfe einstellen müssen. Ohne soziale Kämpfe werden wir nicht das erreichen, was es zu erreichen gilt. Erschwerend ist hier ein genereller Rückgang an Gewerkschaften.
[…] die Wende zu einer humaneren Zukunft [wird] von der massenhaften Weigerung arbeitender Menschen abhängen […], den stetig sinkenden Bedarf an ihrer Arbeitskraft und die daraus folgende wachsende wirtschaftliche Ungleichheit hinzunehmen.
Seite 13
BENANAV gelingt über die Zeilen eine erste Skizze einer Vision, für die es sich zu kämpfen lohnt – im Sinne friedlicher, diskursiver sozialer Auseinandersetzungen.
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Literatur
zu Aaron Benanav
Anhänger der Automatisierungstheorie, darunter „Zukunftsforscher“ (erwähnt im Buch):
- Erik BRYNJOFSSON/Andrew McAFEE: The Second Machine Age
- Martin FORD: The Rise of the Robots (2015) → Buchclub V #2
- Silicon Valley: Bill GATES, Mark ZUCKERBERG, Elon MUSK (Ian M. Banks)
- Barack OBAMA, Robert REICH, Lawrence SUMMERS, Andrew YANG, Andy STERN
- Nick SRNICEK, Alex WILLIAMS: Die Zukunft erfinden. Postkapitalismus und eine Welt ohne Arbeit (2016) VLB
- Peter FRASE: Four Futures. Life After Capitalism. VERSO BOOKS
- Aaron BASTANI: Fully Automated Luxury Communism VERSO BOOKS
Kritiker des Automatisierungsdiskurses (erwähnt im Buch):
- David AUTOR
- Robert J. GORDON
weitere Literaturtipps der Buchclubbers
- James SUZMAN: Sie nannten es Arbeit. Eine andere Geschichte der Menschheit (2021) VLB, VERLAG
- Richard David PRECHT: Freiheit für alle (2022) VLB
- Rutger BREGMAN: Utopien für Realisten (2016) → Buchclub V #3
- Edward BELLAMY: Im Jahre 2000. Ein Rückblick auf das Jahr 1887 (1890) WIKIPEDIA
- Harald WELZER: Alles könnte anders sein. → Buchclub V #28
- David GRAEBER: Bullshit Jobs. Vom wahren Sinn der Arbeit. VLB, VERLAG
weitere Medien:
(Seitenangaben in Zitaten beziehen sich auf die deutsche Ausgabe.)