Wir treffen uns am Dienstag, den 7. September 2021 um 19 Uhr im Café Kriemhild im 15. Bezirk.
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Nachlese ↓
Mini-Rezension ↓
Literaturtipps ↓
Anna WIENER
Code kaputt
Macht und Dekadenz im Silicon Valley
2020, Droemer, 3. Aufl., 320 Seiten.
VLB(?), VERLAG, THALIA
Original: Uncanny Valley. A Memoir. 2020, MCD, 288 Seiten.
VERLAG, THALIA, REVIEW THE GUARDIAN, WEBSITE AUTORIN, KOLUMNE THE NEW YORKER
Eine persönliche Reportage rund um das Silicon Valley. Rundum gute Kritiken, spricht viele wichtige Themen an. Als Einstieg in eine besondere Gedanken- und Vorstellungswelt.
„Joan Didion bei einem Start-up.“
—Rebecca Solnit
Musikeinstimmung gefällig? Penelope Scott singt passend zum Thema über Elon Musk und das Silicon Valley. (Lyrics-Version hier)
Nachlese zum Buchclub V #20
Von jemandem zu lesen, die selbst gerne liest und dann darüber schreibt – das ist eine unangenehme Doppelung, die sich natürlich gerade in der Literatur nicht selten findet. Wie viele Hauptfiguren sind Schriftsteller:innen! Ungezählt viele.
Die literarische Bauchnabelschau ist vielleicht deshalb so drückend spürbar, weil das Schreiben an sich eine recht körperliche Anstrengung sein kann: Mühevoll, schwierig, schmerzvoll. Was man selbst erfährt, überwiegt auch in den Erzählungen, Beschreibungen und Memes, viel seltener nur sieht man lustvolle Komödien mit Schriftsteller:innen. So wird auch das Lesen auf der anderen Seite der Buchseite zu einer physischen Erfahrung. Woher kommt’s? Vielleicht greifen Schreibende dankbar zum Naheliegenden, wenn die gut abgeheilte Schreibblockade dann doch einmal aufbricht wie ein pochendes Geschwür.
Musste das jetzt sein, war das notwendig, wirst du sagen. Dass sie uns jetzt hier dieses Bild in den Kopf setzt, hätten wir uns das Körperliche, Physische nicht auch so vorstellen können? I feel you. Denn ich finde ja: Ja. Nicht alles muss grafisch beschrieben sein, um verstanden zu werden. Ich bitte also um Verzeihung, ich musste meinen Punkt hier ein einziges Mal blutig unterstreichen.
Wie ehrlich, wie körperlich, wie bildlich muss Literatur sein? Wird Literatur glaubwürdiger, je näher sie an der Realität kratzt? Oh, macht sich dieser Anspruch an die Literatur, real sein zu wollen, nicht sofort absurd aus?
Im Buchclub V zu Anna Wieners Uncanny Valley (der ungleich plumpere deutsche Titel rutscht immer noch sehr schwer über die Lippen) haben wir uns diese Frage auch gestellt. Ja, eigentlich lesen wir keine Literatur, wenn nicht gerade Sommer ist. Und auch dieser Blick über den Fachbuchfalz zeigt, dass es Themen gibt, denen es sich gewinnbringender nähern lässt als über Literatur.
„Sie blähten ihre persönlichen Erfahrungen zu universellen Wahrheiten auf.“
Das soll kein Verriss werden, wahrlich nicht. Wiener ist flüssig zu lesen, unterhaltsam, witzig und geistreich. Sie ist ehrlich und trifft vielleicht deshalb viele Geschmäcker. Sie spricht die Dinge an, die man sich von einem Buch über das Silicon Valley erwartet: Viele Entwickler (ungegendert), viel Code, da und dort eine schlechte Party. Der tief gehende Sexismus, der die Geschichte durchzieht, schmerzt nicht weniger, wenn ihm humorvoll oder kühl begegnet wird.
„Sexismus, Misogynie und Objektifizierung standen an meinem Arbeitsplatz nicht im Vordergrund – aber sie waren so allgegenwärtig wie die Tapete und die Luft.“
Man darf Wiener nur nicht mit der stürmischen Vorfreude auf ein Fachbuch lesen. Ein persönlicher Erfahrungsbericht zieht uns die Post-its nicht aus der Tasche. Für eine angenehme sonntägliche Unterhaltung schreibt Wiener wiederum zu reflektiert und flicht ihre persönlichen Schwächen würzend in das Gewebe. Das erheitert, erfrischt – irritiert aber auch.
Mini-Rezension zu Anna Wiener: Code kaputt
1 :: Was versucht das Buch?
„Uncanny Valley“ versucht als Gegenposition zum Idealismus des Silicon Valley dessen oberflächliche Kultur aufzubohren, menschlicher und damit verständlicher zu machen.
2 :: Wie versucht es das?
Der persönliche Erfahrungsbericht ist das Mittel der Wahl, anonymisierte Unternehmensnamen generalisieren das Erlebte.
3 :: Gelingt es ihm?
Nur zum Teil, die Form verwässert die Botschaft. In den Kern des Silicon Valley treffen vielleicht andere Bücher noch besser (Brotopia, Boy Kings?), aber Freunde des New Yorker und somit des Langformats können das Buch gewinnbringend lesen.
Weiterlesen:
Literaturtipps dazu von Vs:
- Ursula POZNANSKI, Arno STROBEL: Invisible. Rowohlt, 2018.
Buchhandel, Thalia - Joanne MCNEIL: Lurking. How a Person Became a User. Mcd, 2002. Thalia
- Emily CHANG: Brotopia. Breaking Up the Boys’ Club of Silicon Valley. Penguin, 2019 (Englisch). Thalia
- Emily GUENDELSBERGER: On the Clock: What Low-Wage Work Did to Me and How It Drives America Insane. Little, Brown & Company, 2019. Thalia
- Scott BERKUN: The Year Without Pants. WordPress.com and the Future of Work. John Wiley & Sons, 2013. Thalia
- Po BRONSON: The Nudist on the late shift. 1999 Amazon
- Ellen ULLMAN: Life in Code. 2018 (Essays) Amazon
- Katherine LOSSE: The Boy Kings. A Journey Into The Heart Of The Social Network. Free Press, 2014. [Amazon]