Wir treffen uns am Montag, den 1. März 2021 online um 19 Uhr.
Café am Heumarkt auf Apple Maps →
Café am Heumarkt auf Google Maps →
Termin auf Meetup →
Termin auf Meetup →
→ alle Termine im Kalender
Caroline CRIADO-PEREZ
Unsichtbare Frauen
Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert.
2020, BTB, 496 Seiten Seiten.
Original: Invisible Women. Exposing data in a world designed for men, Vintagebooks, 2019.
VLB(?), VERLAG, SZ, DAS ERSTE, BUECHER.DE, REZENSION PROZUKUNFT, THALIA, WEBSITE AUTORIN
Lt. Rezensionen auch gut auf Englisch zu lesen.
Nachlese
… männlich bis zum Beweis des Gegenteils …
—Caroline Criado-Perez, S. 21.
Schon wieder liegt uns das aktuelle Buch schwer in den Händen. Die deutsche Ausgabe ist, zugegeben, recht großzügig gesetzt und auf flaumigem Papier gedruckt, trotzdem: Es wiegt schwer. Dass das nicht nur am Material liegt, sondern auch am Inhalt, war jetzt naheliegend – ist aber auch im Umkehrschluss zu denken: Braucht schwerwiegender Inhalt dickere Bücher? Verlangt Text, der wütend und bedrückt macht, nach Ausführlichkeit? Oder macht er vor allem bedrückt, weil er so ausführlich ist?
Bei „Unsichtbare Frauen“ von Caroline Criado-Perez sind wir uns da nicht so sicher. Eine Datensammlung, die es in sich hat: Sie reiht Beispiel an Bespiel und Studie an Studie und zeigt damit, wie häufig in allen möglichen Disziplinen datengestützter Teile unseres Lebens – sprich: alle – Frauen dadurch benachteiligt werden, dass über sie schlicht zu wenig Daten erhoben werden. Es entstehen Nachteile für Frauen, wenn die Welt für einen Durchschnittsmann gebaut wird.
Die Gestaltung angeblich geschlechterneutraler Produkte nach dem Prinzip „eine Männergröße für alle Menschen“ benachteiligt Frauen.
S. 217
Männliche Crashtest-Dummies, fehlende Weltraumanzüge, Schmerztabletten, die an Frauen schlechter wirken, vergiftende Küchengase … – es ist müßig, die Vielzahl an Beispielen zu versuchen wiederzugeben, das nähme den kompletten Inhalt vorweg. Wichtiger für die Aussagekraft des Buchs als die einzelnen Beispiele ist die schiere Masse an genannten Situationen, wo es in der Datenlage nachzurüsten gilt. Es lohnt sich, bis an den Ort der sanften Übermüdung nach all den Beispielen zu gehen, denn genau dieses Gefühl ist wichtig. Es sind viele, zu viele.
Zur Übermüdung trägt bei, dass Criado-Perez beginnt, Statistiken und Zahlen zu vereinfachen, wenn sie sich auch stets direkt in über 1300 Fußnoten auf Studien stützt. „3 von 4 Frauen“, „6 von 10 Menschen“ – irgendwann verschwimmt das Ziffernblatt und übrig bleibt das Bild der Schlagseite, auf die die Waage kippt.
Wir stellen uns Fragen: Was ist der Grund für die noch immer bestehende Ungleichheit, welche Kräfte wirken hier, welche Überzeugungen? Was sind die Folgen von Ungleichheit, wer leidet darunter, wer profitiert? Welche genannten Aspekte sind tatsächlich Ursachen für Ungleichheit und welche bereits Folgen daraus, wo beginnt die Spirale? Wenn an Frauen ein Herzinfarkt später erkannt wird als an Männern, weil Studien und Daten fehlen, ist dies bereits eine Folge von Ungleichheit in der medizinischen Wissenschaft und Praxis?
Auch wir, zumindest manche unter uns, stellen eine gewisse Müdigkeit fest: Wir sind müde, seit 30 Jahren über dieselben Themen zu lesen, müde, einander erklären zu müssen, müde, uns voreinander zu rechtfertigen, müde, immer wieder dieselben Fragen zu beantworten, müde, auf Unverständnis zu stoßen.
[…] das, was die meisten Frauen schon immer mindestens implizit wussten, selbst wenn sie es sich nicht eingestehen: Die Anpassung an das Patriarchat hat kurzfristige, individuelle Vorteile für Frauen. Sie hat allerdings den Nachteil, dass diese Vorteile nur vorläufig sind. […]
Bis zu einem gewissen Grad muss unsere Frauengeneration diese Torturen also auf sich nehmen, damit es Frauen nach uns nicht genauso geht.
S. 359 & S. 373
Schon im Gespräch um „Sprache und Sein“ von Gümüşay haben wir die Notwendigkeit festgestellt, miteinander im Gespräch zu bleiben. Es bleibt uns nicht erspart! Wir werden immer wieder miteinander reden und verhandeln und vor allem einander zuhören müssen. Natürlich wünscht sich jede Frau, wie jeder Mensch übrigens, dass sie gehört wird, gesehen und verstanden. Feminismus, Ungleichheit und Parität betreffen uns alle.
Danke an die Buchclubbers und Vs für Lesen und Zuhören!